Kleiner Zuckertest – warum er oft falsch ist und welche Alternativen es gibt

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In den Mutterschaftsrichtlinien wird die Durchführung des “kleinen Zuckertests” für alle Schwangeren empfohlen bzw. angeboten. Allerdings ist der kleine OGTT (oraler Glukosetoleranz-Test) durchaus in der Kritik und ich selbst habe ihn abgelehnt.

In diesem Artikel möchte ich dir alle Fakten präsentieren, damit du selbst entscheiden kannst ob du den Test machen oder ebenfalls ablehnen möchtest. Außerdem beschreibe ich dir, welche Alternativen es zum kleinen Zuckertest gibt!

Was ist der “kleine Zuckertest”?

Der medizinisch korrekte Name für den “kleinen Zuckertest” in der Schwangerschaft ist der “orale Glukosetoleranz-Test”. Er soll einen Gestationsdiabetes (Schwangerschaftsdiabetes) frühzeitig erkennen und so Mutter und Kind vor Schäden durch einen zu hohen Blutzucker schützen. Empfohlen wird dieser Test in den Mutterschutzrichtlinien für alle Schwangeren zwischen der 24. und 28.SSW – für Risikoschwangere auch schon vorher (ab 20.SSW)

Kleiner Zuckertest Ablauf

Die Durchführung des Tests ist recht einfach – ihr kommt einfach irgendwann in die Praxis und bekommt eine 200ml Zuckerlösung mit 50g Traubenzucker zu trinken. Ihr müsst für den Test weder nüchtern sein, noch unbedingt morgens in die Praxis kommen.

Nachdem ihr die Zuckerlösung getrunken habt, wird eine Stunde gewartet und dann wird euch Blut abgenommen. In diesem wird dann euer Blutzucker bestimmt – dieser sollte bestimmte Werte nicht überschreiten, ansonsten gilt der kleine Zuckertest als auffällig.

Kleiner Zuckertest Werte

Als normal werden im kleinen Zuckertest Blutzuckerwerte von <135mg/dl (7,5mmol/ml) ansehen – liegt der Blutzuckerwert nach einer Stunde darüber, gilt der Test als auffällig oder sogar beweisend für einen Schwangerschaftsdiabetes:

BZ (mg/dl)BZ (mmol/l)Interpretation und Konsequenzen
<135<7,5kein Verdacht auf Schwangerschaftsdiabetes
135-2007,5-11,1auffällig, großer Zuckertest notwendig zur Abklärung
>200<11,1beweisend für Schwangerschaftsdiabetes, kein großer Zuckertest notwendig
Kleiner Zuckertest Werte Tabelle

Kleiner Zuckertest auffällig?

Falls ihr nach dem kleinen Zuckertest gegoogelt habt, weil euer kleiner Zuckertest auffällig gewesen ist, dann wird euch dieser Artikel jetzt gleich etwas Entwarnung geben: es ist deutlich wahrscheinlicher, dass es sich um ein falsch-positives Screening handelt, als dass ihr wirklich einen Schwangerschaftsdiabetes habt!

Nichtsdestotrotz solltet ihr UNBEDINGT einen großen Zuckertest machen – denn zumindest in manchen Fällen liegt wirklich ein Schwangerschaftsdiabetes vor. Und dieser sollte natürlich unbedingt behandelt werden! Unbehandelt schädigt Schwangerschaftsdiabetes potentiell euer Baby, erhöht eure Rate an Schwangerschaftskomplikationen und macht einen Kaiserschnitt wahrscheinlicher (u.a. aufgrund eines “zu großen Kindes”).

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Warum ich den “kleinen Zuckertest” nicht gemacht habe

Ich selbst habe den kleinen 50g-OGTT in meiner Schwangerschaft mit Luisa abgelehnt. Der Grund dafür ist recht einfach: Die Fachgesellschaften empfehlen den Test nicht!

Und zwar weil er weder reproduzierbare Ergebnisse liefert, noch eine ausreichende Sensitivität ODER Spezifität besitzt. Heißt konkret: der Test übersieht eine gute Anzahl von Fällen von Schwangerschaftsdiabetes. UND er liefert oft falsch positive Ergebnisse. Wie oft? Verdammt oft!

Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schwangerschaftsdiabetes vorliegt, wenn der kleine Zuckertest auffällig ist (PPV = positiv prädiktiver Wert) nur bei etwa 25-30% (in Abhängigkeit davon, wann die letzte Mahlzeit erfolgte und um wieviel Uhr der Test durchgeführt wurde). In 70-75% der Fälle schlägt der Test also fehlerhafterweise Alarm!

Die Hauptprobleme des Tests liegen darin, dass er nicht um eine definierte Tageszeit durchgeführt wird (ja, das hat Einfluss auf den Blutzucker!) und dass der Abstand zur letzten Mahlzeit ebenfalls unberücksichtigt bleibt. Dies verfälscht die Aussagekraft der Messwerte.

Die deutsche AMWF S3 Leitlinie zum Thema Gestationsdiabetes (ein extrem hoher Qualitätsstandard) kommt zum Ergebnis: “Das Screening per 50-g-Test ist das obligate Procedere nach den deutschen Mutterschaftsrichtlinien (MuRiLi), wegen der fehlenden Evidenz wird dieses zweizeitige Screening nicht von den Fachgesellschaften empfohlen”.

Ich habe mir daher stattdessen bereits in der Frühschwangerschaft ein eigenes Blutzuckermessgerät geholt und jede Woche einen Nüchternblutzuckerwert bestimmt. Das war sicherlich schon sehr vorsichtig – für mich aber eine sehr beruhigende Option!

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Alternativen zum kleinen Zuckertest

Das Konzept des zweistufigen Screenings mit kleinem Zuckertest als Screeningtest und des großen Zuckertests als Bestätigungstest muss man wirklich deutlich infrage stellen. Als Alternativen kommen laut der S3-Leitlinie folgende Optionen infrage:

  • Großer Zuckertest ohne vorherigen kleinen Zuckertest
  • Screening mittels Nüchternglukosebestimmung, Bestätigung mit großem Zuckertest
  • Bestimmung des HbA1C als Screening

Großer Zuckertest (75g-OGTT) als einstufiger Test

Eine Alternative zur Durchführung des kleinen Zuckertests ist es, direkt den “großen Zuckertest” durchzuführen. Bei diesem muss die Schwangere morgens nüchtern in die Praxis kommen und innerhalb von 5 Minuten 300ml Flüssigkeit mit 75g Traubenzucker trinken. Vorher wird der Nüchternzuckerwert bestimmt- ebenso wie danach der 1h- und 2h-Blutzuckerwert

Auch beim “großen Zuckertest” gibt es wieder Werte, ab wann der Test auffällig ist:

  • Nüchternwert >92mg/dl (5,1mmol/l)
  • 1h-Wert >180mg/dl (10mmol/l)
  • 2h-Wert >153mg/dl (8,6mmol/l)

Sind zwei Werte auffällig, gilt die Diagnose Schwangerschaftsdiabetes als gesichert. Ist nur ein Wert auffällig, so spricht man von einer gestörten Glukosetoleranz in der Schwangerschaft. Diese wird aber im Grunde genauso wie ein Schwangerschaftsdiabetes behandelt.

Vorteile

  • Deutlich seltener falsch positiv
  • Deutlich seltener falsch negativ

Nachteile

  • Mehr Aufwand (2 Stunden, man muss nüchtern kommen)
  • Die Krankenkassen zahlen den Test oft nicht, wenn nicht vorher ein kleiner Zuckertest gemacht wurde

Nüchternblutzucker als Screeningtest

Blutzuckermessung mittels eines Heimgerätes zur Diagnose eines Schwangerschaftsdiabetes

Eine weitere Alternative zum kleinen Zuckertest stellt die Bestimmung des Nüchternblutzuckers dar. Tatsächlich ist dieser Test bei geeigneten Grenzwerten leichter durchführbar und liefert gleichwertige oder sogar bessere Ergebnisse als der kleine Zuckertest. Er könnte ebenfalls als Screeningtest verwendet werden – grenzwertige Ergebnisse sollten hier dann dazu führen, dass ein “großer Zuckertest” (75g-OGTT) durchgeführt wird zur Klärung.

Sinnvolle Grenzwerte hier wären:

  • <79mg/dl: Schwangerschaftsdiabetes unwahrscheinlich
  • 81-90mg/dl: Verdacht auf Schwangerschaftsdiabetes -> großen Zuckertest durchführen
  • >92mg/dl: Diagnose eines Schwangerschaftsdiabetes, kein OGTT notwendig

Vorteile

  • Höhere Reproduzierbarkeit
  • Einfachere und weniger zeitaufwändige Durchführung

Nachteile

  • Bestimmung sollte schnell erfolgen, damit ein großer Zuckertest direkt durchgeführt werden kann

In der Schweiz ist das zweistufige Screening mittels Bestimmung des Nüchternblutzuckers übrigens bereits Standard! Knapp der Hälfte aller Frauen kann so ein oraler Glukosetest komplett erspart werden.

Tatsächlich könnte man den Nüchternblutzucker auch bereits in der Frühschwangerschaft bestimmen – bereits im 1.Trimester sind die Werte sehr prädiktiv dafür, wer später tatsächlichen einen Schwangerschaftsdiabetes entwickelt und wer nicht!

HbA1C als Screening

Theoretisch könnte man auch den HbA1C als Screeningtest nutzen – allerdings sind sowohl Sensitivität als auch Spezifität niedriger als beim kleinen Zuckertest. Daher ist die Bestimmung des HbA1C mehr eine theoretische Alternative zum 50g-OGTT. Es würde allerdings dabei helfen, Schwangere mit einem bereits bestehenden und vorher nur noch nicht bekannten Diabetes mellitus zu identifizieren.

Kleiner Zuckertest – Fazit

Wie schon erwähnt, habe ich mich aufgrund der Daten gegen den 50g-OGTT entschieden. Ich möchte diese Entscheidung euch aber selbstverständlich auf keinen Fall aufdrängen.

Dieser Artikel soll euch nur helfen, die Werte des kleinen Zuckertests einordnen zu können und die Aussagekraft zu verstehen. Ich hoffe er beruhigt die eine oder andere Schwangere, bei der der kleine Zuckertest auffällig ist – meist kommt es dann ja zur Entwarnung!

Falls ihr bereits ein Kind habt: habt ihr den kleinen Zuckertest gemacht? Wie waren eure Erfahrungen damit? Schreibt es mir sehr gerne weiter unten in die Kommentare dieses Artikels!

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Quellen

  • AMWF Leitlinie “S3-Leitlinie Gestationsdiabetes mellitus (GDM), Diagnostik, Therapie und Nachsorge”, Langfassung, 2018 (Link)
  • Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung („Mutterschafts-Richtlinien“), Version September 2021 (Link zum PDF)
  • Bogdanet, D.: “The Oral Glucose Tolerance Test—Is It Time for a Change?—A Literature Review with an Emphasis on Pregnancy” J Clin Med. 2020 (Link)

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