Bei “Fetal Programming” handelt es sich um eine Forschungsrichtung, die erforscht, wie sich die Einflüsse während der Schwangerschaft auf die spätere Gesundheit des Babies auswirken.
Und zwar geht es hier nicht nur darum, dass Alkohol oder schwere Vitamin-/Hormonmangelzustände Fehlbildungen auslösen können. Das habt ihr vermutlich längst gewusst.
Bei “Fetal Programming” geht es allerdings um Zusammenhänge, die dir vermutlich noch nie jemand erzählt hat. Wie etwa, dass deine Ernährung in der Schwangerschaft Einfluss darauf hat, wie wahrscheinlich dein Baby später als Senior Altersdiabetes bekommt. Und dass manche dieser Einflüsse sogar weiter VERERBT werden können – das hat mit “Epigenetik” zu tun.
Bisher ist sämtliche Literatur zu dem Thema Fetal Programming für Wissenschaftler gedacht – und damit nicht unbedingt einfach verständlich. Für meine eigene Doktorarbeit und auch meine weitere Arbeit habe ich natürlich regelmäßig wissenschaftliche Paper gelesen und “komme mit der Sprache gut klar”.
Und deswegen möchte ich diese Thesen hier auf dem Babybauch Blog einfach und verständlich erklären – Links zu den Papern gibt es natürlich für Neugierige auch! 🙂
Die Grundthese von Fetal Programming
Die Grundthese von Fetal Programming ist eigentlich ziemlich einfach: Die Umgebung deines Babies während der Schwangerschaft beeinflusst dessen Risiko für spätere Erkrankungen. Einflüsse können dabei sowohl toxische Substanzen als auch hormonelle Schwankungen sowie Ernährungsveränderungen sein.
Diese Einflüsse verändern dann sowohl die Entwicklung als auch kleine Teile des Gensatzes deines Babies – die eben sogar teilweise vererbt werden können.
Was ist eigentlich “Epigenetik”?
Falls ihr noch nie von Epigenetik gehört habt (und keine Sorge, das geht vielen so!), hier eine kurze Erklärung:
“Normalerweise” basieren genetische Veränderungen auf einer Änderung der DNA-Sequenz – also quasi auf dem Bauplan des Körpers. Eine genetische Mutation bedeutet, dass Buchstaben in diesem Bauplan ausgetauscht werden. Statt ATTCGA steht dann da vielleicht ATCCGA – je nachdem wo genau das passiert im Genom, kann das zu einer Erkrankung führen – oder eben auch nicht.
Manche schwere Erkrankungen basieren nur auf der Veränderung eines einzelnen Buchstabens – und der ganze genetische Code besteht aus drei Milliarden dieser Buchstaben! Würde man die DNA eines Menschen in Bücher schreiben, wären das 3.500 Bücher mit 500 Seiten! Eigentlich unglaublich, wie gut das trotzdem funktioniert, oder?!
Und das ist noch nicht genug, denn jetzt kommt noch die Epigenetik dazu. Bei epigenetischen Veränderungen verändert sich der DNA-Code NICHT (der Bauplan bleibt also gleich) – und trotzdem hat das einen Einfluss darauf, was passiert.
Die molekularen Mechanismen dahinter sind unter anderem DNA Methylierung und Veränderungen der Histone – keine Sorge, so sehr gehen wir nicht ins Detail. Was diese Veränderungen bewirken, ist, dass der Bauplan quasi “etwas anders gelesen wird”.
Wäre die DNA sowas wie Bücher mit dem Bauplan des Menschen, dann ist Epigenetik wie ein kleines Post-it, was auf den verschiedenen Seiten klebt und sowas sagt wie “überspring die Seite mal” oder “Lies die Seite bitte ganz genau”. Und wenn das Buch weitergegeben wird, dann ist das Post-it ja weiter drin – deswegen ist Epigenetik auch vererbbar.
Das bekannteste Beispiel der Forschung an Fetal Programming
So, jetzt wo du dich durch den wissenschaftlichen Hintergrund von Fetal Programming gequält hast, hier jetzt ein paar praktischere Beispiele, was Forscher bisher so beobachtet haben:
Das bekannteste Forschungbeispiel von Fetal Programming ist der “Niederländischer Hungerwinter von 1944/45“: Durch den 2.Weltkrieg herrschte in den Niederlanden eine extreme Hungersnot und viele Schwangere waren deutlich unterernährt. (mehr dazu auf Wikipedia)
Dass ihr Babies etwas kleiner und leichter waren, ist vermutlich nicht sehr verblüffend. Was die Forscher dann aber festgestellt haben, ist es sehr wohl: Diese Kinder hatten später im Leben ein größeres Risiko an Diabetes, Übergewicht und Herzerkrankungen zu erkranken. Und sie haben dieses höhere Risiko sogar wiederum an ihre eigenen Kinder vererbt!
Dieses Risiko traf übrigens nicht alle Kinder gleich – insbesondere Kinder von Frauen, die im ersten Trimester an Unterernährung litten, waren betroffen. Waren die Kinder indirekt eher im zweiten oder dritten Trimester betroffen, konnten sie im Alter Kohlenhydrate schlechter verwerten. Bei Frauen war außerdem das Brustkrebsrisiko erhöht.
Ist “Fetal Programming” eine anerkannte Forschungsrichtung?
Ja, auf jeden Fall! Auf PubMed (der größten Dankenbank medizinischer Publikation) gibt es bereits über 160.000 Treffer zu “Fetal Programming” – und es werden ständig mehr!
Die Forschung an Fetal Programming dauert sehr lange (schließlich will man ja Späteffekte beobachten – und das am besten über zwei Generationen), daher gibt es noch viele ungeklärte Fragen.
Nichtsdestotrotz kann man schon jetzt wichtige Erkenntnisse dazu ableiten, welche Bedingungen in der Schwangerschaft ganz besonders wichtig sind und was möglicherweise zu Langzeitfolgen für dein Baby führen kann.
- Unterernährung (insbesondere Eiweißmangel) während der Schwangerschaft kann zu Bluthochdruck und erhöhtem Risiko für Herz- und Kreislauferkrankungen beim Nachwuchs führen
- Niedrige Vitamin B12 und Zink-Werte erhöhen das spätere Diabetesrisiko deines Kindes
- Niedrige Eisenwerte führen zu einem niedrigeren Geburtsgewicht und einem höheren Risiko für späteren Bluthochdruck
- Ein starker Überschuss an Folsäure erhöht das Risiko von Übergewicht bei deinem Kind (wobei Folsäure aber grundsätzlich sehr wichtig ist!)
- Mütterliches Übergewicht und eine fettreiche Ernährung in der Schwangerschaft erhöhen ebenfalls das Risiko für dein Kind, später übergewichtig zu werden und an Bluthochdruck zu erkranken
Dir fällt sicher auf, dass ganz viele dieser Erkenntnisse mit einer gesunden Ernährung in der Schwangerschaft zu tun haben. Und genau deswegen erzähle ich dir auch von Fetal Programming: Es liegt nämlich in deiner Hand, welche Karten du deinem Baby auf seine Reise ins Leben mitgibst!
Mit deinem Verhalten in der Schwangerschaft hast du Einfluss darauf, ob aus deinem gesunden Baby später auch ein gesunder Erwachsener (und irgendwann ein gesunder Senior) wird.
Da lohnt es sich doch gleich doppelt, mal auf den einen oder anderen ungesunden Snack zu verzichten! 😉